Paul Auster ist ein Meister der Erzählung, das beweist er einmal mehr in seinem neuesten, recht kurzen Roman „Baumgartner“.

Es ist der typische Auster-Sound, der einen von Anfang an in seinen Bann zieht, der 76-jährige Amerikaner – wie man liest, ist er an Krebs erkrankt – verfasst nach seinem über 1000-seitigen Großwerk „4321“ auf 204 Seiten eine wunderschöne Geschichte über die Liebe, das Alter, über das Schreiben und die Trauer. Wie so oft lassen sich einige autobiografische Details bei Auster herauslesen.

Der Protagonist Seymour T. Baumgartner ist über 70 Jahre alt, Professor für Phänomenologie in Princeton und verwitwet. Verheiratet war er mit Anna, einer Übersetzerin und Dichterin, mit der er die schönsten Jahre seines Lebens verbracht hat. Anna starb vor zehn Jahren bei einem Badeunfall. Das Buch beginnt mit einer längeren komischen und slapstickhaften Szene, in der sich Baumgartner die Hände an einem Topf verbrennt und schließlich eine Kellertreppe herunterstürzt. Er ist in der Folge zur Ruhe gezwungen und hat Zeit, über sich und sein Leben nachzudenken. Die Rückblenden, die vom ersten Zusammentreffen mit Anna und ihre glücklichen Jahre bis zu ihrem Tod und Baumgartners anschließender Trauerzeit erzählen, sind in der Vergangenheitsform geschrieben, der Rest im Präsens.

Ein Fluss von Worten

„… Gott sei Dank für all diese schönen morgendlichen Sonaten, wenn er zum Klang von Annas Fingern auf den klappernden Tasten aufgewacht war, das heißt zu Annas Gedanken, die ihr durch die Finger in die klappernden Tasten sangen, und nachdem er einen Monat lang allein in dem leeren Haus gelebt hatte, war seine Sehnsucht nach diesen Klängen so groß geworden, dass er manchmal in ihr Zimmer ging, sich an die stumme Maschine setzte und etwas – irgendetwas – tippte, nur um wieder diese Geräusche zu hören.“

Paul Auster gehört zu den Autoren, die in der Lage sind, lange Sätze zu schreiben, die den Leser nicht verwirren, sondern in ihren Bann ziehen. Der Leser stolpert nicht, er gerät in einen Fluss von Worten.

Auch Auster-typisch: die seltsamen Träume, Gedichte, die Anna verfasst hat, Prosa, die von Baumgartner sowie von Anna stammt.

„Baumgartner“ ist ein Buch voller Komik, etwas melancholisch, jedoch durchaus von großer Hoffnung getragen.

Rowohlt, Hamburg 2023

208 Seiten, 22 Euro

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