Es ist ein Phänomen, das ich schon seit längerer Zeit beobachte, aber lange nicht richtig benennen konnte: die falsche Verwendung des Dativs – ich nenne das den „Deppen-Dativ“.

In erster Linie fällt mir immer wieder auf, dass Autoren bei Aufzählungen, die mit einem Genitiv oder einem Akkusativ beginnen, plötzlich in den Dativ wechseln.

Ein Beispiel:

Es bedarf eines Brauchtums, das schon seit Jahrhunderten in der Tradition verankert ist, einem Verständnis für Kultur und einem Selbstbewusstsein für Folklore.

Hier werden drei Dinge aufgezählt, die alle im Genitiv stehen müssen aufgrund des Wortes „bedarf“ (wessen bedarf es?): es bedarf

1. eines Brauchtums,

2. eines Verständnisses und

3. eines Selbstbewusstseins.

Der Verfasser des falschen Beispiels verwendet jedoch den Dativ für die Nummern 2 und 3 – den Deppen-Dativ.

Und ein Beispiel für den Akkusativ:

 Der Erfolg der Verhandlungen war bedingt durch den Durchsetzungswillen des Gewerkschafters, der schon seit drei Jahrzehnten die Arbeitnehmer anführt, den Streiks im Januar und den Vorbildern der anderen Gewerkschaften.

 Die Präposition „durch“ bedingt den Akkusativ, also müssen alle folgenden Dinge, die aufgezählt werden, auch im Akkusativ stehen (durch wen?):

1. den Durchsetzungswillen,

2. die Streiks und

3. die Vorbilder.

Auch hier hat der Verfasser des falschen Beispiels für Nummer 2 und 3 den Dativ verwendet.

 Vielleicht kommt die Verwirrung daher, dass der Akkusativ Plural von Streik und Vorbilder gleichlautend mit dem Nominativ ist? Das klingt doch zu einfach – nehme ich halt einen anderen Fall, der komplizierter klingt!

Der Deppen-Dativ bei Appositionen

Das Phänomen lässt sich auch bei Appositionen beobachten. Eine Apposition ist ein Nomen oder eine Nomengruppe und beschreibt sein beziehungsweise ihr Bezugswort näher.

Das ist Herr Meier, der Hausmeister.

Grundsätzlich gilt, dass Bezugswort (Herr Meier) und Apposition (der Hausmeister) im selben Kasus stehen müssen, also hier im Nominativ.

Nun liest man häufig Formulierungen wie:

Er blickte auf den Berg Gottes, dem höchsten Wesen.

Es ist die schönste Zeit für ihn, dem Reiseführer der Gruppe.

Hier stehen die Appositionen beide Male fälschlicherweise im Dativ. Im Beispiel 1 steht aber das Bezugswort im Genitiv (Gottes), daher muss auch das höchste Wesen den Genitiv besitzen:

Er blickte auf den Berg Gottes, des höchsten Wesens.

 Im Beispiel 2 steht das Bezugswort im Akkusativ (ihn), also muss auch die Apposition den Akkusativ besitzen:

Es ist die schönste Zeit für ihn, den Reiseführer der Gruppe.

Wann auch der Nominativ erlaubt ist

Aber wie so oft: Keine Regel ohne Ausnahme!

Steht die Apposition zusammen mit wie oder als, ist auch der Nominativ erlaubt.

Die Ergreifung des Täters als gefährlichen Mannes

 Das Bezugswort „des Täters“ und die Apposition „gefährlichen Mannes“ stehen beide im Genitiv und somit ist diese Konstruktion korrekt, klingt aber doch veraltet. Hier ist zum Glück auch der Nominativ erlaubt:

Die Ergreifung des Täters als gefährlicher Mann

Nicht erlaubt ist aber der Deppen-Dativ:

Die Ergreifung des Täters als gefährlichem Mann

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