Es gibt viele Möglichkeiten, seine Leser zu quälen: Eine davon ist, in seine Texte möglichst viele Passivkonstruktionen einzubauen.
Am Freitag, 7. August, wurde der neue Spielplatz eröffnet. Das Band wurde feierlich durch Stadtrat Bause durchgeschnitten. Anschließend wurde der Spielplatz von den anwesenden Kindern in Besitz genommen.
Klingt furchtbar langweilig, oder? Woran das liegt? Das ist nicht schwer zu analysieren: Der Autor hat durchgehend Passivkonstruktionen benutzt und so seine Leser erfolgreich eingeschläfert. Dabei wäre es so einfach, dieselben Informationen in einen netten Text zu verpacken und ihn ins Aktiv zu setzen:
Große Freude: Stadtrat Bause hat am Freitag (7. August) den neuen Spielplatz eröffnet. Nachdem er feierlich das Band durchschnitten hatte, nahmen Dutzende Kinder unter ohrenbetäubendem Gebrüll die Spielgeräte in Besitz.
Wie du Passiv-Sätze entlarvst
Auch mir passiert es ab und zu, dass sich ein Passiv-Satz in meinen Texten einschleicht. Aber die Schlingel sind schnell zu entdecken: Wenn eine Form des Wortes „werden“ vor einem Partizip steht – Obacht!
Die Einladungen werden in den nächsten Tagen versandt. ––> passiv
Wir versenden in den nächsten Tagen die Einladungen. ––> aktiv
Weitere Signalwörter sind „bekommen“ und „kriegen“.
Der Autofahrer bekam vom Polizisten einen Strafzettel. ––> passiv
Der Polizist verpasste dem Autofahrer einen Strafzettel. ––> aktiv
Die Schüler kriegen hitzefrei vom Rektor. ––> passiv
Der Rektor gibt den Schülern hitzefrei. ––> aktiv
Zu dem ähnlichen Thema „Modalverben“ kannst du übrigens hier meinen Artikel lesen.
Vorteile des Aktivs
Du schreibst persönlicher.
Du wirst von mir eingeladen. ––> Ich lade dich ein.
Du schreibst empathischer und vielleicht auch emotionaler.
In der 35. Minute wurde der Ball ins Bayern-Tor geschossen. ––> In der 35. Minute schoss Hansemann den Ball ins Bayern-Tor.
Du schreibst informativer, da du im Aktiv angeben musst, wer etwas tut.
Der Kuchen wurde gebacken. ––> Peter hat den Kuchen gebacken.
Du schreibst kürzer.
Der Zug wurde von der Polizei auf offener Strecke gestoppt. (10 Wörter, 60 Zeichen)
Die Polizei stoppte den Zug auf offener Strecke. (8 Wörter, 49 Zeichen)
Vorteile des Passivs
Es kann aber auch manchmal von Vorteil sein, Passiv zu nutzen, zum Beispiel, wenn du den Fokus auf einen bestimmten Aspekt legen willst. So ist der Satz:
Polen wurde vom Deutschen Reich überfallen.
dazu geeignet, die Rolle des Opfers zu betonen.
Beim Aktiv-Satz
Das Deutsche Reich hat Polen überfallen.
rückt die Perspektive auf Polen in den Hintergrund.
Oder du möchtest etwas verschleiern, dann ist diese Formulierung:
Leider wurden Ihre Daten an Dritte weitergegeben.
sicher besser als diese:
Leider habe ich Ihre Daten an Dritte weitergegeben.
Fazit
Wenn du lebendig schreiben willst, dann benutze so oft wie möglich aktive Formen. Achte genau in deinen Texten, wo du Passiv-Konstruktionen ersetzen kannst. Wenn du Passiv nutzen willst, dann zu dem Zweck, eine bestimmte Perspektive zu verdeutlichen oder auch den Verursacher zu verschleiern.
Weitere Beiträge
Lakonie als Stilmittel
Lakonie ist ein beliebtes Stilmittel. Doch was bedeutet der Begriff „lakonisch“ eigentlich und woher stammt er?
Stolperfalle Partizip-Konstruktionen
Warum Partizip-Konstruktionen nur mit Vorsicht zu genießen sind. Manchmal erfüllen sie ihren Zweck, aber du solltest sie sparsam verwenden.
Weiße Schimmel, runde Kugeln und kaltes Eis: der Pleonasmus
Ein Pleonasmus ist ein Stilmittel, das häufiger vorkommt, als man vielleicht vermutet. Und das nicht nur beim “weißen Schimmel”!
Lautmalerei
Summen, quaken, knistern: Die Lautmalerei ist eine Technik, Klang und Geräusche mit Worten nachzuahmen, und bereichert unsere Kommunikation ungemein.
Wie du deinen Wortschatz erweiterst und abwechslungsreicher schreibst
In diesem Blogbeitrag werden wir einige bewährte Strategien erkunden, um deinen Wortschatz zu erweitern und abwechslungsreicher zu schreiben.
Der paarige Gedankenstrich
Der paarige Gedankenstrich ist eine gute Möglichkeit, um wichtige Bestandteile eines Satzes hervorzuheben. Lies dazu die wichtigsten Tipps!
Schiefe Sprachbilder
Schiefe Sprachbilder sind häufig ein Ärgernis. Lies hier, wie du sie vermeidest – und wann sie durchaus sinnvoll sind.
Der eingeschobene Nebensatz – besser vermeiden!
Eingeschobene Nebensätze machen den Hauptsatz oft schwer lesbar. Das solltest du möglichst vermeiden. Mehr dazu im textbauer-Blog.
Hallo, Ulf,
ich möchte noch ergänzen: Das Passiv ist in einigen Fällen auch fürs Gendern gut geeignet. Dann, wenn der meist männliche Akteur unbedacht benutzt wird und es eher um die Sache geht. Als Beispiel:
Die Kollegen verschicken die Information per E-Mail. -> Die Information wird per E-Mail verschickt.
Gruß – Andrea
Vielen Dank für den Hinweis!