Zugegeben: Guckt man sich das Setting des Romans „Seit er sein Leben mit einem Tier teilt“ von Bodo Kirchhoff an, klingt es schon sehr nach Alter-weißer-Mann-Literatur.

Louis Arthur Schongauer, ein ehemaliger deutscher Schauspieler in Hollywood, zieht sich nach dem Unfalltod seiner Frau mit seiner Hündin Ascha in ein abgelegenes Haus oberhalb des Gardasees zurück. Sein Einsiedlerleben wird durch die unerwartete Ankunft zweier Frauen gestört: einer jungen Reisebloggerin namens Frida, die mit ihrem Wohnmobil in seiner Einfahrt steckenbleibt, und Almut Stein, einer mittelalten Journalistin, die ein Porträt über ihn schreiben möchte. Diese Begegnungen zwingen Schongauer, sich mit seiner Vergangenheit, seinen Verlusten und der Bedeutung von Nähe und Isolation auseinanderzusetzen. 

Kirchhoff vermeidet jedoch die Falle der Altherrenfantasie. Nach und nach erfahren wir Bruchstücke aus der Vergangenheit L.A. Schongauers, der als Schauspieler fast ausschließlich auf Nazi-Rollen festgelegt war. Wie in einem Kammerspiel lernen wir nach und nach die beiden Frauen kennen – und natürlich spielt auch die titelgebende Hündin eine maßgebliche Rolle.

Ein Roman über das Älterwerden

Es ist ein Roman über das Älterwerden, über Verlust und Einsamkeit, aber auch über die Notwendigkeit des sozialen Austauschs. Schongauer macht nicht den Eindruck, mit seinem Leben zufrieden zu sein: Er spielte nie die Rollen, die ihn künstlerisch herausgefordert hätten, seine Frau ertrank vor seinen Augen und so empfängt er Frida, ganz der grantige alte Mann, zunächst mit einer Waffe in der Hand. Die Reparatur ihres Wohnmobils zieht sich über Tage hin, nicht ganz ohne Zutun Schongauers. Das Interview mit Almut wiederum macht ihm zu schaffen, es entwickelt sich eine Art Duell zwischen ihnen. Schongauer widerstrebt es eigentlich, von sich und seiner Vergangenheit zu erzählen und – es gibt noch eine weitere tote Frau in seinem Leben.

Journalistin und Interviewter fühlen sich zueinander hingezogen, doch auch hier vermeidet Kirchhoff geschickt den Kitsch. Stattdessen entsteht ein nachdenklicher Roman über das Loslassen, mit einem sehr poetischen Ende, das den Leser zugleich traurig und hoffnungsvoll zurücklässt.

Bodo Kirchhoff: Seit er sein Leben mit einem Tier teilt. Roman; dtv, München 2024; 384 S., 24,– €, als E-Book 19,99 €

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