Der Kommissar, welcher heute sehr müde war, ging zu seinem Auto, welches gegenüber parkte, und schloss es mit dem Schlüssel auf, welchen er aus seinem Mantel zog, welcher aus Leder war.
Na, alles verstanden?
Solche Sätze begegnen mir im Lektorat häufiger, als mir lieb ist. Manche Autor*innen sind der festen Überzeugung, dass Relativpronomen wie „welcher“, „welche“ oder „welches“ ihren Texten einen besonders edlen, beinahe literarischen Anstrich verleihen. Tatsächlich aber passiert oft das Gegenteil: Die Sätze wirken gestelzt, überfrachtet und unnötig kompliziert.
Wie bei so vielen wohlmeinenden Kunstgriffen in der Sprache gilt auch hier: Weniger ist mehr. Oder noch besser: Gar nicht ist oft am besten. Schlichtheit ist kein Mangel an Stil, sondern ein Zeichen von Klarheit – und damit ein echter Dienst am Leser.
Weniger ist mehr
Schauen wir uns das Beispiel noch einmal in einer entschlackten Version an:
Der Kommissar, der heute sehr müde war, ging zu seinem Auto, das gegenüber parkte, und schloss es mit dem Schlüssel auf, den er aus seinem Ledermantel holte.
So geht’s auch – oder besser gesagt: So geht’s besser. Der Satz ist kürzer, leichter lesbar, aber immer noch präzise. Und obendrein wird gleich das unschöne „Mantel, der aus Leder war“ elegant ersetzt durch „Ledermantel“ – ein schönes Beispiel dafür, wie stilistische Klarheit auch mit Wortwahl zu tun hat.
Man könnte den Satz sogar noch weiter vereinfachen:
Der sehr müde Kommissar ging zu seinem gegenüber parkenden Auto und schloss es auf.
Aber gut – es soll hier ja gar nicht um Stilfragen im Allgemeinen gehen, sondern konkret um Relativpronomen. Deshalb zurück zur Ausgangsfrage:
Wann darf man „welcher“ trotzdem verwenden?
Tatsächlich gibt es gelegentlich Situationen, in denen „welche“ nicht nur korrekt, sondern auch funktional sinnvoll ist – etwa, wenn es dabei hilft, unschöne Wiederholungen zu vermeiden:
Er setzte sich in die Limousine, welche die Einfahrt blockierte.
Hier würde ein einfaches „die“ zu einer hässlichen Doppelung führen („… in die Limousine, die die Einfahrt …“) – stilistisch nicht elegant. In solchen Fällen kann das „welche“ seinen berechtigten Platz haben.
Aber: Diese Ausnahmen bestätigen die Regel.
Wer zu häufig zu „welcher“ greift, riskiert, dass der Text steif und antiquiert wirkt – und die Lesbarkeit darunter leidet. Deshalb mein Plädoyer:
Relativpronomen wie „welcher“ werten einen Text nicht auf. Gute Sprache ist nicht kompliziert, sondern klar. Und genau das macht sie stark.
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